Das CRPS I (Complex Regional Pain Syndrome I, komplexes regionales Schmerzsyndrom I) ist eine oft spät erkannte Komplikation nach Traumen, Operationen oder anderen Erkrankungen. Der Begriff CRPS I umfasst die früher verwendeten Bezeichnungen Reflexdystrophie, (Morbus) Sudeck, Sudeck-Dystrophie, Algodystrophie, Causalgie – Syndrom und sympathische Reflexdystrophie.
Die Erkrankung tritt ohne bekannte Ursache nach Verletzungen auf, wobei die Schwere des Traumas keine Rolle spielt.
Symptome des CRPS I sind Durchblutungsstörungen, Schwellungen, Hautveränderungen, starke Schmerzen und schließlich Funktionseinschränkungen. Die Arme sind häufiger als die Beine betroffen. Relativ oft tritt die Erkrankung nach Bruch der Speiche nahe dem Handgelenk (distale Radiusfraktur) auf. Frauen sind häufiger befallen.
Die auftretenden Symptome stehen in ihrer Intensität und in ihrer Dauer in keinem Verhältnis zum auslösenden Ereignis, welches verglichen mit denen des CRPS I gelegentlich geradezu als Bagatelle erscheint.
Generell gilt:
- Je früher die Diagnose CRPS I gestellt wird, desto besser sind die Behandlungsergebnisse
- Jede Diskrepanz zwischen der Schwere einer Verletzung und der Dauer und/oder Intensität der eingetretenen Symptome muss an ein CRPS I denken lassen
- Die Therapie hat multimodal zu erfolgen. Das bedeutet Einbezug verschiedener medizinischer und paramedizinischer Fachrichtungen nach einem transparenten ärztlichen Behandlungsplan und einer federführenden, im Krankheitsbild erfahrenen, Behandlungsleitung.
Diagnose
Die Diagnose wird anhand der (modifizierten Budapester Kriterien gestellt:
Anhaltender Schmerz, der durch das Anfangstrauma nicht mehr erklärbar ist.
Mindestens 1 Symptom aus 3 der 4 folgenden Kategorien in der Anamnese berichten:
- Hyperalgesie (Überempfindlichkeit für Schmerzreize); „Hyperaesthesie“ (Überempfindlichkeit für Berührung, Allodynie)
- Asymmetrie der Hauttemperatur; Veränderung der Hautfarbe
- Asymmetrie im Schwitzen; Ödem
- Reduzierte Beweglichkeit, Dystonie, Tremor, „Paresen“ (im Sinne von Schwäche); Veränderungen von Haar oder Nagelwachstum
Mindestens 1 Symptom aus 2 der 4 folgenden Kategorien zum Zeitpunkt der Untersuchung vorliegen:
- Hyperalgesie auf spitze Reize (z.B. Zahnstocher); Allodynie; Schmerz bei Druck auf Gelenke/Knochen/Muskeln
- Asymmetrie der Hauttemperatur; Veränderung der Hautfarbe
- Asymmetrie im Schwitzen; Schwellung
- Reduzierte Beweglichkeit, Dystonie, Tremor, „Paresen“ (im Sinne von Schwäche);Veränderungen von Haar oder Nagelwachstum
- Keine andere Diagnose erklärt die Symptomatik besser
Die Symptome des CRPS I sind am Anfang der Erkrankung leider unspezifisch. Zudem wird die Diagnose als Ausschlussdiagnose gestellt, das heisst, nur wenn keine andere Diagnose die bestehenden Symptome besser erklären kann, wird die Diagnose CRPS I gestellt. Dadurch verzögert sich die Diagnosestellung häufig. Weil die Erkrankung wenig bekannt ist, werden die Symptome gelegentlich auch falsch interpretiert. Der Krankheitsverlauf variiert zudem von Fall zu Fall, von der spontanen und vollständigen Abheilung bis zur Ausbildung erheblicher bleibender und invalidisierender Einschränkungen mit Einfluss auf die Lebensqualität finden sich alle Abstufungen.
Behandlung
Aufgrund der vielfältigen Erscheinungen, der differierenden Zeitpunkte der Feststellung der Diagnose und des individuellen Verlaufs der Erkrankung CRPS I gibt es auch keine einzige Therapie; sie wird vielmehr fallgerecht und gemäss bestehenden Leitlinien festgelegt.
Individuell werden nach Bedarf der Chirurge, der Traumatologe, der Orthopäde, der Neurologe, der Neurochirurg, der Anästhesist, der Psychologe, der Psychiater, der Physiotherapeut, der Ergotherapeut und weitere Spezialisten beigezogen.
Die Physiotherapie und die Ergotherapie werden fast immer als zusätzliche Maßnahme zu der ärztlichen Intervention eingesetzt. Nur erfahrene und mit dem Krankheitsbild CRPS I vertraute Therapeuten sollten CRPS I – Patienten behandeln.
Viele Autoren betonen die Wichtigkeit der physikalischen Maßnahmen im Rahmen der Behandlung des CRPS I. Der Schmerzbehandlung kommt erstrangige Bedeutung zu, weil sich anhaltende Schmerzen chronifizieren können und dann nur noch schwierig therapierbar sind.
Die Tatsache, dass die Entstehungsweise des Leidens ursächlich nicht geklärt ist und dafür verschiedene Theorien existieren, rechtfertigt die Anwendung jeder Massnahme, die zu einer Linderung der Beschwerden und Verbesserung der Funktion führt.
Es gilt daher:
Jede Massnahme, die das Krankheitsbild des CRPS I verbessern hilft, ist gerechtfertigt. Das gilt umso mehr, wenn eine Massnahme einfach, kosteneffizient und wirksam ist. Umgekehrt soll auf Massnahmen, die zu einer Verschlechterung des Zustandes führen, unbedingt verzichtet werden.
Das CRPS I ist eine Erkrankung, die häufig über Jahre andauert. Viele Patienten schicken sich in ihr Schicksal. Oft geben Betroffene und Therapeuten frustriert auf. Auch die Gewöhnung an eine Einschränkung führt dazu, ein eingetretenes Defizit zu akzeptieren.
Korrekt ist, dass
solange noch eine Verbesserung erreicht werden kann, die Therapie fortgesetzt werden soll. Häufig ist eine über Monate und Jahre andauernde Therapie nötig, um den erreichten Zustand aufrechterhalten zu können.
Tens im Rahmen physikalischer Massnahmen
Auf die grosse Bedeutung physikalischer Maßnahmen im Rahmen der Behandlung des CRPS haben viele Autoren (Carden, 2005; Gärtner, 2004; Hooshmand, 1999;Scholl, 1998; Stengg, 2003; Werner, 2002) hingewiesen.
Im Folgenden beschränken wir uns auf die transkutane elektrische Nervenstimulation TENS (Transcutaneous Electrical Nerve Stimulation).
TENS ist eine medizinische Reizstromtherapie mit mono- oder biphasischen Impulsen verschiedener Frequenzen. TENS wird vor allem zur Behandlung von Schmerzen und zur Muskelstimulation eingesetzt. Die Stromformen können als konstante oder unterbrochene Impulsfolgen angewandt werden.
In den 1960er-Jahren beschrieben Melzbach und Wall ein neuartiges Konzept der Schmerzwahrnehmung, die sogenannte Kontrollschrankentheorie. Gemäss dieser Theorie wird ein Schmerzreiz auf dem Weg zum Gehirn im Rückenmark auf eine zweite Nervenzelle umgeschaltet. Diese Gate-Control-Theorie besagt, dass das Rückenmark über ein neurologisches Tor verfügt, das Schmerzsignale aufhält oder aber zum Gehirn durchlässt. Hier können z.B. Reize aus der Peripherie die Schmerzweiterleitung blockieren. Basierend auf diese Theorie wurde 10 Jahre später die TENS-Methode entwickelt.
Seither belegen viele Untersuchungen die Wirksamkeit von TENS. Allerdings fehlt den meisten Studien die heute geforderte Qualität für eine höchste wissenschaftliche Evidenz. Dies darf jedoch nicht dem Verfahren als Nachteil angelastet werden. Andere Gründe sind dafür verantwortlich: Schwierig vergleichbares Krankengut, individueller Krankheitsverlauf, unterschiedliche bereits erfolgte Therapien, nicht vergleichbare Zeitpunkte für den Behandlungsbeginn sowie eine fehlende Lobby für diese Therapieform sind nur einige der Gründe.
Jeder Schmerztherapeut kennt diese Methode und wendet sie mit Erfolg an. Gründe für die weite Verbreitung sind die einfache Handhabung, die geringen Kosten und die Tatsache, dass TENS wenig gefährlich und nebenwirkungsarm ist. Ausser leichten Hautirritationen wurden bei korrekter Anwendung keine Nachteile beobachtet. Zudem kann der Patient diese Therapie nach kurzer Instruktion zuhause selbst durchführen, was Zeit und Geld spart.
Nicht jeder CRPS I – Patient empfindet die TENS – Anwendung als angenehm. Neben einer individuellen Antwort auf den gesetzten Reiz spielt auch das Stadium der Erkrankung eine wesentliche Rolle. Es ist daher durchaus sinnvoll, bei anfänglich unangenehmer Reaktion später die TENS – Therapie nochmals zu versuchen.
TENS findet nicht nur beim CRPS I sondern bei zahlreichen weiteren Schmerzsyndromen Anwendung.
Bei Sportverletzungen, bei Gelenkbeschwerden, bei Kopfschmerzen, bei Migräneanfällen, bei Tumorschmerzen, bei Diabetes – bedingten Nervenschmerzen (diabetische Neuropathie), bei Schmerzen nach Gürtelrose und bei Phantomschmerzen nach Amputationen bringt TENS oft den erwünschten Erfolg.
Auf eine TENS – Behandlung sollte in folgenden Fällen verzichtet werden (Kontraindikationen):
- Epilepsie
- Psychiatrische Erkrankung
- Schwangerschaft
- Herzschrittmacher
- Implantierter Defibrillator
- Akute Entzündungen
Die Behandlung darf keine zusätzlichen Schmerzen auslösen. Meistens spürt der Patient den Strom als Kribbeln. Muskeln in der Nähe der Elektroden können sich sichtbar zusammenziehen.
Eine Sitzung dauert etwa eine halbe Stunde, mehrere Behandlungen täglich sind möglich.
Die Behandlungsdauer richtet sich nach der erzielten Wirkung.
Beim Kauf eines TENS – Gerätes sollte die Kostenübernahme durch die Unfallversicherung (Unfallfolge!) oder Krankenkasse vorher abklärt werden. In der Schweiz ist die Behandlung als kostenpflichtige Leistung in der Mittel und Gegenständeliste (MiGel) aufgeführt. Folgende Voraussetzungen müssen erfüllt sein, damit der dort fixierte Betrag bezahlt wird:
- Der Einsatz erfolgt zur Schmerztherapie.
- Der Arzt oder auf seine Anordnung der Physiotherapeut muss die Wirksamkeit des TENS am Patienten erprobt und ihn in den Gebrauch des Stimulators eingewiesen haben.
- Der Vertrauensarzt muss die Selbstbehandlung durch den Patienten als indiziert bestätigt haben.
Die Indikation ist insbesondere gegeben bei:
- Schmerzen, die von einem Neurom ausgehen; so z. B. durch Druck auslösbare lokalisierte Schmerzen im Bereiche von Amputationsstümpfen;
- Schmerzen, die von einem neuralgischen Punkt aus durch Stimulation (Druck, Zug oder elektrische Reizung) ausgelöst oder verstärkt werden können, wie z. B. ischialgieforme Schmerzzustände oder Schulter-Arm-Syndrome;
- Schmerzzustände nach Nervenkompressionserscheinungen; so z.B. weiter bestehende Schmerzausstrahlungen nach Diskushernienoperation oder Carpaltunneloperation (Karpaltunnel-Syndrom).
Im Arsenal der Mittel zur Behandlung von Schmerzzuständen ist TENS eine einfache, kostengünstige und nebenwirkungsarme Therapie, deren Anwendung in Ergänzung zu anderen Massnahmen beim CRPS I versucht werden sollte.
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